Beinahe wöchentlich bekommt Tahnee Leyh Anrufe aus Kommunen bundesweit. Sie wollen wissen, wie „Community Health Nursing“ (CHN) funktioniert und wirkt. Die Gemeindegesundheitspflegerin der Stadt Luckau, angestellt beim DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald e.V., treibt das große Interesse an, diesen besonderen Weg weiterzugehen.
„Community Health Nursing“ ist in anderen Ländern fest etabliert, steckt in Deutschland aber noch in den Kinderschuhen. Vor allem im ländlichen Raum gibt es die Funktion einer ersten Ansprechpartnerin rund um Gesundheit, Krankheit und Pflege kaum. Doch die Stadt Luckau schreitet voran – auch dank des Engagements von Tahnee Leyh. Die examinierte Pflegefachkraft hat das Modell mit aufgebaut.
Mit Community Health Nursing fehlende Verknüpfungen schaffen
Luckau im Landkreis Dahme-Spreewald zählt 9.800 Bewohnende, verteilt auf 19 Ortsteile. Tahnee Leyh kennt die Gegend gut, ist aufgewachsen im Ortsteil Uckro, bevor sie für Studium und Arbeit nach Berlin zog. Dort schloss sie den dualen Studiengang „Bachelor of Nursing“ mit Examen an der Charité ab.
2021 kehrte Tahnee Leyh mit ihrem Kind zurück nach Luckau, arbeitete zunächst im Krankenhaus. „Da wie in anderen Kliniken ist mir aufgefallen, wo es brennt“, erzählt sie. Mangelnde Absprachen und Verknüpfung der verschiedenen Sektoren, Lücken in der Versorgungskoordination, unzureichende Aufklärung und Beratung der Patient*innen.
Vorausschauende Begleitung zu Hause
Dem gegenüber stehen immer komplexere Bedarfe: Die Menschen werden älter, wollen länger selbstständig bleiben. Sie haben mit chronischen Erkrankungen zu kämpfen, auch in jüngeren Jahren. Doch es mangelt an vorausschauender Begleitung zu Hause. Viele landen immer wieder in der Klinik, wo das Problem zwar für den Moment behoben, aber im Alltag nicht verbessert wird.
„Der Mensch als Ganzes mit Familie und im System wird nie betrachtet“, merkt Tahnee Leyh. „Die Drehtüreffekte in der Klinik waren mir ein Dorn im Auge. Sie haben mich unglücklich gemacht in meiner Arbeit.“
Mit Community Health Nursing die Bedarfe der Menschen in den Mittelpunkt stellen
Für die Rückkehrerin stand fest: „Es muss doch etwas geben, dass die Versorgung steuern kann und präventiv arbeitet.“ Also Gesundheitsbewusstsein und -vorsorge schafft. Tahnee Leyh fand die Lösung im „Community Health Nursing“. Sie begann, berufsbegleitend in Dresden „Advanced Nursing Practice“ mit der Spezialisierung auf CHN zu studieren. Kurze Zeit darauf übernahm sie die Projektkoordination für eine Sozialraumanalyse in Luckau, gefördert gefördert aus dem Landesförderprogramm „Pakt für Pflege“. Das Ziel: die konkreten Bedarfe der Luckauer Bürger*innen rund um Gesundheitsversorgung zu ermitteln.
Mit den Ergebnissen stand fest: „Die Menschen wünschten sich zuallererst einen zentralen Ansprechpartner im Krankheits- und Pflegefall. Sie wünschten sich jemanden, der lotst, koordiniert, vernetzt und auch direkt versorgt, alles wohnortnah.“ Letztendlich riefen die Menschen nach dem „Community Health Nursing“. Tahnee Leyh reagierte darauf. Sie brachte das Konzept für die Gemeindegesundheitspflegerin ein und startete ab 2024, mit 15 Stunden wöchentlich, die Rolle zu füllen.
Ein Ohr haben für alle
Um Vertrauen und Akzeptanz aufzubauen, begann sie, Klinken zu putzen, stellte sich vor, zeigte ihr Gesicht. Tahnee Leyh war in jedem Ortsteil, sprach mit den Bürgerinnen, Ortsvorstehern, Hausarztpraxen, Pflegediensten etc.. Sie hörte zu, fragte nach Bedürfnissen und klopfte die Aussichten auf Zusammenarbeit ab. „Das ist, glaube ich, der Schlüssel zum Glück für Kolleginnen und Kollegen, die mit Community Health Nursing anfangen wollen. Ein Ohr haben für alle, und das zu dem Allgemeinwohl in Bezug zu setzen“, sagt sie.
Mit ihrer Vorgehensweise aber auch ihrer hohen Qualifikation überzeugte sie rasch. Tahnee Leyh bedauert daher, dass die Akademisierung des Berufes in Deutschland nach wie vor unterschätzt wird und die professionelle Pflege daran leidet, dass sie vor allem als Assistenz der ärztlichen Anordnung dient. „Pflege kann so hoch qualifiziert sein, dass wir auf Augenhöhe mit den Kollegen arbeiten sollten, nicht als Assistenz“, sagt sie und findet: Wenn Pflegefachkräfte selbstbestimmt erste Entscheidungen treffen könnten, würde das ganze System entlastet.
Ganzheitlicher Blick als Alleinstellungsmerkmal
In ihrer Rolle als Gemeindegesundheitspflegerin spielt ihr das Studium in die Karten. Sie tritt nicht nur als Lotsin im Gesundheitssystem auf, sondern kann auch aktiv als professionelle Pflegefachkraft beraten. „Viele sagen, dass ich eine eierlegende Wollmilchsau bin. Das ist kein Vorwurf, sondern ein Alleinstellungsmerkmal der CHN.“
Ihre Arbeit hat drei Schwerpunkte: Pflegesprechstunde, Bildungs- und Schulungsangebote sowie Hausbesuche. Letztere sind der größte Teil. Tahnee Leyh ist in der ganzen Gemeinde Luckau unterwegs. Konfrontiert wird sie dabei mit komplexen Fällen, die nicht nur erkrankte Personen, sondern auch die Angehörigen und die komplette Lebenssituation betreffen.
Zur Lösung zieht sie Ärzt*innen, ambulante Dienste, Ämter oder auch Ehrenamtliche hinzu, ermächtigt die Familien aber vor allem zur Selbsthilfe. „Es geht darum, den richtigen Schal für den individuellen Fall zu stricken. Ich bin diejenige, die alle Strippen zusammenführt und bleibe im Prozess, bis ich weiß, es klappt alleine“, sagt Tahnee Leyh.
Pflegekonzept für die Zukunft
Luckaus Gemeindegesundheitspflegerin geht in ihrer Arbeit auf, erlebt viel Dankbarkeit bei den Menschen vor Ort. Sie weiß aber, dass es als Einzelkämpferin nicht ewig funktionieren kann. In Slowenien etwa liegt der Betreuungsschlüssel bei einer CHN pro 1.000 Bewohner, erzählt sie.
Viele Kommunen wünschen sich eine CHN, wie die Anrufe bei Tahnee Leyh bezeugen. Doch in Deutschland hapert es vor allem an einheitlichen Richtlinien und langfristigen Finanzierungskonzepten für das Modell. Luckau hat den Wert der Gemeindegesundheitspflegerin dagegen erkannt. Die Stadtverordnetenversammlung entschied Ende 2024, die Stelle im Umfang von 30h/Woche bis 2030 zu kofinanzieren.
Tahnee Leyh hofft, dass der Community-Health-Ansatz irgendwann zum flächendeckenden Konzept wird und deutschlandweit überall Kolleg*innen unterwegs sind. „Gesundheit sollte für alle zugänglich sein. Community Health Nurses sollten für alle da sein können“, findet die Gemeindegesundheitspflegerin.
- Mehr zum Projekt Community Health Nursing in Luckau finden Sie hier.
Text: Brandenburg Media/Antje Preuschoff
Bild (Andrea Koeppler): Tahnee Ley bringt als Community Health Nurse beim DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald e.V. innovative Ansätze in den Pflegebereich ein.
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