Angefangen hat alles am Rande des Festakts „150 Jahre Rotes Kreuz in Deutschland“ im Jahr 2013. Dort fassten der im Juni 2019 verstorbene DRK-Ehrenpräsident und erste frei gewählte Präsident des DRK der DDR Prof. Dr. Christoph Brückner und Thomas Klemp, damals Geschäft sführer des DRKLandesverbands Hessen, einen Entschluss: Sie wollten eine Arbeitsgruppe gründen und so eine wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Geschichte des DRK in der DDR anstoßen. Gleichzeitig sollten über Zeitzeugengespräche die Erfahrungen der in der DDR aktiven DRK-Mitglieder vor dem Vergessen gerettet werden.
Anfang 2015 machte sich die Arbeitsgruppe „Geschichte des DRK in der DDR“ auf den Weg. Ihr gehörten neben Ehrenpräsident Brückner, der den Vorsitz übernahm, Peter Battenberg, Hans-Peter Beyer, Anita Drost, Lutz Eckhardt, Th omas Klemp, Uwe Lammel, Dr. Petra Liebner, Achim Müller, Dr. Detlef Nakath, Christian Reuter, Prof. Dr. Rainer Schlösser und Dr. Volkmar Schön an.
Das Ziel, mit dem diese Gruppe ihre Arbeit aufnahm, formulierte Brückner gleich zu Beginn der ersten Sitzung:
„Wir sollten nun versuchen, diese Lücke [in der geschichtlichen Aufarbeitung, Anm. d. Redaktion] so
weit möglich auszufüllen. Sollten Klarheit schaff en über die Einwirkung der sozialistischen Gesellschaft und der SED in die Arbeit des DRK, über Bevormundung und Einflussnahme. Wie hat das DRK in der DDR seine unbestritten hervorragenden Leistungen vollbringen können?“
Wissenschaftliche Studie
Den Auftrag, eine solche Studie zu erarbeiten, erhielt im Sommer 2016 die Sozial- und Wirtschaftshistorikerin Dr. Andrea Brinckmann. Das Ergebnis ihrer Recherchen ist das Buch „Das Rote Kreuz in der DDR“, das am November 2019 bei der 69. DRK-Bundesversammlung in Magdeburg präsentiert wurde. Auf rund 200 Seiten zeichnet Brinckmann darin die Geschichte des DRK in der DDR von 1952 bis 1990 nach. „Meine Studie hat das Ziel, die Geschichte des DRK in den größeren Kontext der Geschichte der DDR einzuordnen. Es ist eine Überblicksstudie, die sich sowohl chronologisch als auch thematisch mit der Entwicklung des Verbands auseinandersetzt“, erklärt Brinckmann.
Herausfordernd sei vor allem die große Menge an zur Verfügung stehenden historischen Quellen gewesen. „Ich habe ausführliche Vorrecherchen in den Beständen der Staats- und Landesarchive, des Bundesarchivs
und des DRK-Bundesverbands durchgeführt. Es gibt unglaublich viel Material und daraus musste ich natürlich eine sinnvolle Auswahl treffen“, beschreibt sie ihr Vorgehen. Neben den zahlreichen Archivbeständen stellte die DRK-Arbeitsgruppe Andrea Brinckmann auch über 100 Zeitzeugeninterviews
als weiterführende Quellen zur Verfügung.
Überblickswerk zur Organisationsgeschichte
Eine der Leitfragen ihres Buches sei die Frage gewesen, wo das Rote Kreuz als Organisation gestanden hat:
„Auf der einen Seite geht es um die Organisationsgeschichte unter den Bedingungen des SED-Staats. Welchen
Einfl uss hatte die SED auf die Entwicklung des DRK? Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, wie sich das Leben im Verband entwickelt und welche Aufgaben das DRK wahrgenommen hat.“
Eine wichtige Rolle im Buch spielt daher auch die Analyse der Bedeutung des Roten Kreuzes für das staatliche Gesundheitswesen. Im Fokus der Arbeit von Brinckmann stehen die Entwicklungen von Organisationsstrukturen und Aufgabenfeldern des Roten Kreuzes. Dabei nimmt sie auch einige persönliche Geschichten von Rotkreuzlerinnen und Rotkreuzlern in den Blick. „Meine Studie ist aber keine Alltagsgeschichte“, sagt Brinckmann. Gerade die individuellen Perspektiven von Mitgliedern, die das DRK der DDR durch ihren Einsatz mitgeformt haben, seien aber sehr spannend und würden ihre Studie wertvoll ergänzen, so Brinckmann.
Nächstes Kapitel: Alltagsgeschichte
„Meine Arbeit sollte nicht das Ende, sondern der Anfang der Aufarbeitung der verbandlichen Geschichte sein“, findet Brinckmann. Es gebe noch zahlreiche Geschichten, die sie im Rahmen ihrer Studie nicht erzäh-len konnte. Dieser Auffassung stimmt auch Dr. Petra Liebner, Leiterin der Abteilung für Historische Kommunikation und Medien im DRK-Bundesverband, zu. „Mit dem Buch liegt erstmals eine umfassende Studie zur Geschichte des DRK in der DDR auf breiter Quellengrundlage vor. Wir wünschen uns, dass davon zahlreiche Impulse für weitere Forschungsarbeiten ausgehen.
“Ein Ausgangspunkt für weitergehende Arbeiten zum Roten Kreuz in der DDR könnten zum Beispiel die Zeitzeugengespräche sein, die auf Betreiben der DRK-Arbeitsgruppe geführt wurden. Über 120 Video- und Audiointerviews sind im Historischen Archiv des DRK-Bundesverbands frei zugänglich. „Wir möchten Interessierte ausdrücklich ermuntern, sich die Zeitzeugen-Interviews anzusehen“, erklärt der Leiter des Archivs, Dr. Hans-Christian Bresgott. Aufbauend auf der von Brinckmann geleisteten Überblicksdarstellung zum DRK in der DDR könnte so in Zukunft dem Wunsch von Prof. Brückner noch weiter entsprochen werden: die Geschichten der Kameradinnen und Kameraden im Roten Kreuz der DDR zu erzählen.
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