Es kommt immer wieder vor, dass DRK-Mitarbeitende in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete in Wünsdorf und Doberlug-Kirchhain sich so sehr engagieren, dass das auf die Geflüchteten abfärbt und diese sich dann ebenfalls reinhängen. Und das auch, wenn sie gar nicht mehr in den Einrichtungen leben. Das ist zum Beispiel bei Bassil aus Syrien so, der 2019 in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf gelebt hat. Er schaut weiterhin regelmäßig dort vorbei und gibt Deutsch- und Alphabetisierungskurse.
Hallo Bassil, erinnerst du dich noch an deinen Deutschkurs in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf?
Ja, er ging ungefähr zwei Monate und es war Teil meines Erstorientierungskurses in der Erstaufnahmeeinrichtung. Danach kam ich in ein Übergangswohnheim und konnte den Kurs leider nicht beenden. Das Buch „Telc A1“, mit dem wir in dem Kurs gearbeitet haben, empfehle ich heute allen, die Deutsch lernen wollen: Es hat mir sehr dabei geholfen, Deutsch zu lernen, zu sprechen und zu verstehen.
Wann hast du angefangen, dich mit Deutsch zu befassen, Deutsch zu sprechen?
Richtig intensiv habe ich mich mit Deutsch erst im Übergangswohnheim befasst, das war im März 2020. Mit der Zeit fing ich dann an, immer häufiger Gespräche mit anderen auf Deutsch zu führen. Ich wollte auf keinen Fall dadurch isoliert sein, dass ich nicht Deutsch spreche. Ich habe es als Herausforderung gesehen, Deutsch zu lernen. Und ich wollte diese Herausforderung schaffen. Ich wollte mir beweisen, dass ich es schaffe.
Inwiefern begeistert dich Deutsch als Sprache?
Die deutsche Sprache begeistert mich sehr. Zum einen als Herausforderung, weil es nicht einfach war und ist, mit ihr zu kommunizieren. Zum anderen sehe ich die deutsche Grammatik wie Mathematik und so, wie die deutsche Sprache manchmal keine logische Erklärung hat, zum Beispiel beim Bestimmen der Artikel, so ist auch das Leben. Manche Dinge sind eben so, wie sie sind.
„Vielen hilft es, zu sehen, dass ich es auch geschafft habe. Ich motiviere sie, Deutsch zu lernen und setze alles daran, ihnen Sorgen und Unsicherheiten in Bezug auf das Erlernen der deutschen Sprache zu nehmen.“
Bassil, Geflüchteter aus Syrien, der neben Sprach- auch Alphabetisierungskurse für Geflüchtete gibt.
Hast du ein Lieblingswort, ein deutsches Wort, das dir gefällt, dass du gerne sprichst, schreibst, verwendest?
Da ich ein emotionaler Mensch bin, ist „Gefühle“ mein Lieblingswort. Und mein Lieblingssprichwort ist: „Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl“. Es macht mich froh, auch weil ich fühle, dass Potsdam meine Heimat ist.
Wie kam es dazu, dass du für andere Geflüchtete Deutschkurse gibst, ihnen die deutsche Sprache näherbringst?
Als ich in Wünsdorf war, hat die Schulkoordinatorin Hind mir von einem Alphabetisierungskurs für Frauen erzählt. Ich habe in Syrien, im Libanon und in Italien unterrichtet und daher hat mich die Idee sofort begeistert, anderen Geflüchteten das lateinische Alphabet beizubringen. Es ist meine Leidenschaft, zu unterrichten.
Du warst bis 2019 Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf und lebst jetzt in Potsdam. Trotzdem gibst du weiterhin in der Einrichtung Deutsch- und Alphabetisierungskurse. Warum machst du das?
Es erfüllt mich, unterrichten zu können und ich freue mich immer, wenn ich sehe, dass jemand die deutsche Sprache lernen möchte. Gleichzeitig habe ich auch eine Verantwortung, da die Menschen in Wünsdorf aus meinen Kursen auf mich warten und ich möchte sie nicht enttäuschen. Ich muss auch sagen: Sprachen liegen mir. Das merke ich auch bei meinem Ehrenamt bei dem Verein Katte e.V. in Potsdam, wo ich Arabisch und Italienisch übersetze.
Motiviert es andere Geflüchtete, die lateinische Schrift sowie die deutsche Sprache zu lernen, wenn sie dich als Lehrer mit Fluchthintergrund haben?
Das kann sein. Ich habe ja a) einen Fluchthintergrund und b) Arabisch als Muttersprache, spreche zudem Englisch gut. Das hilft mir, andere Geflüchtete und ihre Probleme mit der deutschen Sprache zu verstehen. Vielen hilft es, zu sehen, dass ich es auch geschafft habe. Ich motiviere sie, Deutsch zu lernen und setze alles daran, ihnen Sorgen und Unsicherheiten in Bezug auf das Erlernen der deutschen Sprache zu nehmen. Bei Teilnehmenden mit anderer Muttersprache klappt das Unterrichten mit Mimik und Körpersprache ebenfalls sehr gut.
Was ist leichter: Deutsch zu lernen oder anderen Deutsch beizubringen?
Das kann man nicht vergleichen. Man lernt die Sprache, macht Fehler und sammelt Erfahrungen. Jetzt bin ich in der Lage anderen Leuten zu erklären, wie sie Fehler vermeiden können und worauf sie bei sich achten müssen.
Wie gut ist dein Deutsch?
Ich habe meine B2 telc Prüfung bestanden. Ich möchte ab Oktober an einem C1-Kurs an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) in Eberswalde teilnehmen. Online höre ich die langsam gesprochenen Nachrichten der Deutschen Welle und manchmal lese ich Zeitungsartikel. Letztens habe ich einen Artikel mit der Überschrift „Kann man die Zeit empfinden?“ gelesen. Das sind Artikel, die mich interessieren.
„Ich kann nur jedem Sprachneuling und -anfänger empfehlen, jeden Tag Deutsch zu sprechen und damit den Respekt vor der Sprache abzulegen.“
Bassil, Geflüchteter aus Syrien, der ehrenamtlich Sprachkurse für Geflüchtete gibt
Was machst du beruflich, möchtest du beruflich in Deutschland machen?
Ich möchte gerne arbeiten. Deswegen bewerbe ich mich gerade für das Masterstudium Ökologische Landwirtschaft und Ernährungssysteme an der HNE in Eberswalde. Mein syrischer Hochschulabschluss in Agrarwissenschaft wird in Deutschland nicht anerkannt. Aufgrund meines Alters würde ich gerne zwei Jahre Ökologische Landwirtschaft und Ernährungssysteme studieren und nach einem Jahr könnte ich in Teilzeit oder in einem Praktikum arbeiten. Alternativ könnte ich mir vorstellen, als Sozialarbeiter im Bereich Migration oder Homosexualität zu arbeiten, da ich mich für humanitäre Arbeit interessiere. Wenn ich als Sozialarbeiter arbeiten möchte, müsste ich allerdings vorher drei bis vier Jahre studieren. Daher ziehe ich die erste Variante erst einmal vor.
Was hat dich dazu bewegt, nach Deutschland zu kommen?
Schon als Kind fühlte ich mich in Syrien nicht wohl und beschloss, das Land zu verlassen. Dann war ich eine Zeit im Libanon und in Italien. Ursprünglich wollte ich dann nach Norwegen, da ein Freund dort lebt. Ich habe zwei Jahre an einem Projekt in Italien teilgenommen und hatte anschließend die Wahl, ob ich auf der Straße lebe oder weiterziehe. Eine Freundin empfahl mir, nach Deutschland zu gehen. Sie war mit dem deutschen Grundgesetz vertraut und erzählte mir davon, dass in Deutschland die Gleichberechtigung der Geschlechter im Gesetz festgeschrieben ist. Das hat mir gefallen und ist mir sehr wichtig: Dass ich geschützt bin und Unterstützung bekomme.
Ich habe das Gefühl, ich gehöre nach Potsdam. Dort fühle ich mich wohl, dort ist mein Platz und dass nach einem Jahr (und es war ein schwieriger Prozess).
Inwiefern hilft es dir in deinem Alltag, dass du Deutsch sprechen kannst, die deutsche Sprache beherrschst?
Ich kann nur jedem Sprachneuling und -anfänger empfehlen, jeden Tag Deutsch zu sprechen und damit den Respekt vor der Sprache abzulegen, es einfach zu tun. Mit der deutschen Sprache ist man nicht mehr isoliert, sondern kann Kontakte zu Menschen knüpfen, die in Deutschland geboren sind. Und vor allem hilft die Sprache beim Austausch und Kontakt mit Behörden und Ämtern.
Hast du versucht, deinen Alltag in Deutschland in deiner Muttersprache zu gestalten? Und wie hat das geklappt?
Nein, das habe ich nicht versucht und möchte es auch nicht versuchen. Ich behalte meine arabischen Wurzeln, meine Kultur. Ich leugne meinen Hintergrund nicht, aber gleichzeitig integriere ich mich. Und das finde ich gut so.
- Du möchtest dich ebenfalls in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete in Wünsdorf oder Doberlug-Kirchhain ehrenamtlich engagieren, mit Bewohnenden Sport machen, zeichnen oder Musik machen? Kein Problem. Dann melde dich einfach in den Einrichtungen. Ansprechpartnerin für Wünsdorf ist Bettina Nathusius (b.nathusius@drk-fluechtlingshilfe-brb.de), Ansprechpartner in Doberlug-Kirchhain ist Veit Klaue (v.klaue@drk-fluechtlingshilfe-brb.de).
[…] Vom Bewohner zum Mitarbeiter: Bassil bringt Bewohnenden der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf Deu… […]