Drei Jahre nach dem ersten bestätigten Corona-Fall in Deutschland spricht Dr. Michael Benker, Landesarzt beim DRK-Landesverband Brandenburg, im Interview über sein Erleben der Pandemie und wie diese das Rote Kreuz in Brandenburg geprägt hat.
Herr Dr. Benker, vor genau drei Jahren, am 27. Januar 2020, wurde in Deutschland der erste Fall einer Infektion mit dem Coronavirus bestätigt. Einen guten Monat später war klar: Wir haben es hier mit einer Pandemie zu tun. Viele ahnten aber vielleicht noch nicht, was da auf uns zukommen würde. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Anfangszeit der Corona-Pandemie?
Dr. Michael Benker: Schon als wir die ersten Bilder von Infizierten wie auch Helferinnen und Helfern in Schutzkleidung aus China gesehen haben, waren wir Ärztinnen und Ärzte darauf gefasst, dass dieses Virus auch Europa erreichen würde. Die Frage war nicht „ob“, sondern „wann“.
Als es dann Ende Januar den ersten bestätigten Corona-Fall in München gab, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Großstädte in Deutschland und bald auch Brandenburg betroffen sein werden. Das war eine beängstigende Situation, zumal man ja wusste, dass die Menschen an dem Virus sterben können.
Inwiefern haben Sie in dieser Situation als Landesarzt im DRK-Landesverband Brandenburg gewirkt?
Dr. Michael Benker: Meine Erfahrungen aus meiner Arbeit im Bundeswehrkrankenhaus, wo wir schon im Februar eine Corona-Lage zur täglichen Abstimmung einrichteten, hatten direkte Auswirkungen. Ich stand im engen beratenden Dialog mit Hubertus Diemer, Vorsitzender des Vorstands im DRK-Landesverband Brandenburg. Am 17. März 2020 erklärte Präsident Dr. Frank-Walter Hülsenbeck dann den Krisenfall im DRK-Landesverband Brandenburg. Daraufhin wurde in der Geschäftsstelle des DRK-Landesverbands Brandenburg auch das für das Krisenmanagement notwendige Führungs- und Lagezentrum eingerichtet.
Was waren die Aufgaben des Führungs- und Lagezentrums in diesem Krisenfall?
Dr. Michael Benker: Das war die zentrale Ansprechstelle für alle: für die Kreisverbände, für die Rotkreuzgemeinschaften, für die DRK-Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste, für die Rettungsdienste und so weiter. In der ersten Phase der Pandemie ging es ja vor allem darum, Richtlinien, Verfahrensanweisungen und Gesetze von Bund und Ländern in allen Gliederungen und Einrichtungen des Roten Kreuzes umzusetzen. Diese Anweisungen änderten sich häufig innerhalb kurzer Zeit. Da galt es, den Überblick zu behalten und gut zu koordinieren.
Oberstes Ziel war es natürlich, die Ausbreitung des Virus zu vermeiden. Ein notwendiger Schritt war zum Beispiel, dass alle, die konnten, im Homeoffice arbeiteten, um die Zahl der täglichen Begegnungen zu reduzieren. Aber wir, die im Gesundheitssystem arbeiten – und das betrifft eben auch viele Bereiche und Menschen innerhalb des Roten Kreuzes – waren immer mittendrin statt nur dabei. In der Klinik, in der Pflege, im Rettungsdienst – da waren Schutzmaßnahmen notwendig, um die Leben der Menschen zu schützen.
Ende 2020 wurden dann die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus zugelassen, nach Weihnachten 2020 startete die große Impfkampagne. Wie hat dies die Lage für das DRK in Brandenburg verändert?
Dr. Michael Benker: Das Rote Kreuz, wie auch die anderen Hilfsorganisationen, war in der Impfkampagne bundesweit sehr präsent und hat eine tragende Rolle gespielt. Gemeinsam mit unseren Kreisverbänden haben wir als Rotes Kreuz einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Impfkampagne in Brandenburg geleistet. Das war eine logistische Herausforderung. Ich denke aber, das haben wir gut gehandhabt.
Den DRK-Mitarbeitenden in den Impfzentren gebührt mein tiefster Dank: Sie hatten oft lange Impfschlangen zu bewältigen, mussten sich damit auseinandersetzen, welcher Impfstoff verabreicht wird und welcher nicht, wann erneut geimpft wird und so weiter.
Hat die Corona-Pandemie das Rote Kreuz in Brandenburg auf besondere Weise zusammengeschweißt?
Dr. Michael Benker: Die Corona-Pandemie ist im Grunde vergleichbar mit Katastrophen, wie wir sie bei Überschwemmungen oder bei großen Schadensereignissen als Rotes Kreuz immer wieder erleben. Es sind ja immer besondere Situationen, die das Rote Kreuz zusammenschweißen – immer, wenn man helfen kann, idealerweise zu mehreren.
Die Corona-Pandemie hat aber exemplarisch bewiesen, wie wir beim Roten Kreuz auf verschiedenen Ebenen gut zusammenarbeiten – sei es auf administrativer Ebene in der Landesgeschäftsstelle, in den Kreisgeschäftsstellen, aber auch die Kooperation zwischen den Landesärzten: Alle haben mit ihrer jeweiligen Expertise allen geholfen. Das war eine tolle Leistung und eine schöne Erfahrung!
Wie sah die Kooperation zwischen den DRK-Landesärzten aus?
Dr. Michael Benker: Innerhalb der Ständigen Konferenz der Landesärzte – gewissermaßen der operative Arm des Bundesarztes, der als oberster Rotkreuzarzt im Generalsekretariat sitzt – haben wir unsere Erfahrungen in unzähligen Videokonferenzen ausgetauscht. Ich habe dann die neuen Informationen an das Lagezentrum des DRK-Landesverbands Brandenburg weitergegeben, von dort gingen die Informationen weiter in die Kreisverbände, unter anderem auch an die Kreisverbandsärzte. Diese konnten nur wirken, wenn sie Vorgaben von oben bekamen. Der Informationsfluss war aber nicht einseitig: Auch von unten nach oben kamen sehr viele Erkenntnisse.
Was war denn für Sie die größte Herausforderung in der Corona-Pandemie?
Dr. Michael Benker: Die Lage jeden Tag neu zu bewerten und dabei nüchtern zu bleiben. Es gab unheimlich viel zu organisieren. Das galt für meinen beruflichen Alltag im Bundeswehrkrankenhaus, aber im Grunde für alle, auf Bundesebene, Landesebene, Kreisebene, Ortsebene – sowohl für die Gesamtbevölkerung als auch für die Rotkreuzgemeinschaften und eben auch für das Lagezentrum des Roten Kreuzes in Brandenburg: Wie viele Helferinnen und Helfer, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind infiziert? Was können wir mit den gesunden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch gestalten? Wie stellen wir schnell Masken, Desinfektionsmitteln, Impfstoffe bereit?
Und dann war da ja auch noch die Angst: Ich hatte Angst um meine Familie, besonders um meine hochbetagte Mutter, um meine Freunde, aber auch um meine Mitarbeitenden in der Klinik und um meine eigene Person. Und natürlich hatte ich auch Angst um die Rotkreuzhelferinnen und -helfer, die jeden Tag im Einsatz waren, sei es beim Impfen, beim Testen oder an allen anderen Stellen.
Info: Dr. Michael Benker ist seit 1979 Mitglied des DRK und wirkte bereits in verschiedenen Funktionen auf Kreisebene. Er übernahm 2010 die Position als Landesarzt beim DRK-Landesverband Brandenburg. Dr. Benker arbeitet als Klinischer Direktor der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Rettungsdienst im Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Sein medizinischer Schwerpunkt liegt im Rettungsdienst. Seit Oktober 2022 ist Dr. Benker neben Dr. Stefan Otto, DRK-Landesarzt Saarland, einer der zwei Stellvertreter des DRK-Bundesarztes Univ.-Prof. Dr. med. Bernd W. Böttiger.
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