Die Herausforderungen im Pflegeberuf sind komplex. Wie ist es, in Zeiten von Personalnot, hohen Pflegekosten und fehlender Infrastruktur im ländlichen Raum als Pflegekraft zu arbeiten? Ein Gespräch mit Anne Heinrich, Pflegedienstleitung des Team Beeskow/Fürstenwalde und Fachbereichsleiterin Ambulante Pflege im DRK-Kreisverband Märkisch-Oder-Havel-Spree e.V.
Wie sieht Ihr bisheriger Werdegang in der Pflege aus?
Ich arbeite seit gut 20 Jahren in der Pflege. Seit meiner Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin bin ich stets glücklich mit meinem Beruf – zunächst als Pflegefachkraft in der ambulanten Pflege, nach meiner Ausbildung 2010 zur Pflegedienstleitung konnte ich mich in verschiedenen Leitungspositionen weiterentwickeln. Seit 2017 arbeite ich beim DRK-Kreisverband Märkisch-Oder-Havel-Spree e.V. und leite dort mit Yvonne Götz den Fachbereich Ambulante Pflege.
Pflegeberufe stehen vor immer größeren Herausforderungen. Ihr Beruf macht Ihnen dennoch Freude. Was motiviert Sie?
Ich sehe jeden Tag, wofür ich meinen Job mache. Dank der ambulanten Pflege können Menschen möglichst lange in ihrem Zuhause versorgt werden. Gerade im ländlichen Raum ist das enorm wichtig. Pflegebedürftigen diesen Wunsch zu ermöglichen, zeigt mir immer wieder den direkten Erfolg meiner Arbeit.
Mich stärkt vor allem die Arbeit beim DRK mit einem gut funktionierenden Team. Ein Team, das von allen Seiten stützt, ist in der Pflege sehr wichtig. Fehlt dies, ist es schwierig, Mitarbeitende langfristig in der Pflege zu halten. Eine der größten Herausforderungen für Arbeitgeber ist es daher, die Team- und Führungsentwicklung zu unterstützen. Das ist bei uns zum Glück der Fall!
Wo sehen Sie in Zukunft die größten Herausforderungen in der Pflege?
Die Anforderungen in der Pflege sind in den vergangenen 20 Jahren enorm gestiegen, gerade im Führungs- und Managementbereich, unter anderem durch Personalmangel und gesetzliche Anforderungen. Das hat zur Folge, dass viele den Beruf wechseln. Die meisten Pflegekräfte machen ihren Job aus Überzeugung – viele vor allem, weil sie gern pflegen möchten und nicht unbedingt, weil sie in den Managementbereich möchten. Tatsache ist aber, dass vor allem Pflegefachkräfte immer mehr solcher Aufgaben übernehmen müssen, z. B. Mitarbeitendenführung oder Personalentwicklung.
Es ist wichtig, die Mitarbeitenden bei diesen Veränderungen gut zu begleiten und zu fördern, um sie langfristig in dem Beruf halten. Dafür braucht es Zeit. Diese wichtige Zeit wird aber zum Beispiel bei der Einzelkostensatzverhandlung für die Pflege nicht ausreichend berücksichtigt. Es fehlt also die Refinanzierung dafür. Das größte Problem ist mittlerweile nicht mehr die Bezahlung von Pflegekräften: Das hat sich positiv entwickelt. Aber an den Arbeitsstrukturen an sich hat sich wenig geändert. Gerade im Hinblick auf Generationen, für die eine gesunde Work-Life-Balance immer wichtiger wird, fehlt es an Strukturen. Außerdem haben die zu Recht gestiegenen Gehälter zur Folge, dass die Bezahlbarkeit der Pflege für viele Menschen zum Problem wird.
Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen?
Ideen und Möglichkeiten gibt es, aber dafür braucht es die finanziellen Mittel und Zeit. Die Pflegeversicherung müsste überarbeitet, die Frage der Pflegefinanzierung muss angegangen werden – das ist Politikaufgabe. Auf kommunaler Ebene müssen die Herausforderungen der Pflege konkreter angegangen werden, damit sich die Akteure an der Basis besser vernetzen können. Ich wünsche mir, dass Kommunen und regionale Einrichtungen gemeinsam überlegen, wie wir den Herausforderungen begegnen: Politik und die Erfahrungen aus der Praxis zusammenbringen, pragmatische Lösungen und einheitliche Wege finden, um die Pflege gerade im ländlichen Raum weiterzuentwickeln. In vielen Landkreisen funktioniert das schon sehr gut.
Insgesamt braucht es hier Mut, Durchhaltevermögen, die richtigen Stimmen aus der Praxis, aber auch nachhaltige wegweisende Entscheidungen aus der Politik. Ich plädiere dafür, dass alle Akteure in der Pflege mit ihren Ideen viel mehr voneinander profitieren anstatt sich als Konkurrenz wahrzunehmen, sodass wir erfolgreiche Konzepte miteinander teilen und uns noch mehr vernetzen. Denn am Ende geht es uns allen um eines: allen Menschen gute Pflege zu ermöglichen.
Und wie kann man aus Ihrer Sicht junge Menschen für Pflegeberufe begeistern?
Wir sehen immer wieder, wie wertvoll Schulpraktika oder Freiwilligendienste sind, bei denen junge Menschen konkrete Einblicke in die Pflege bekommen. Da könnte man noch viel verbessern: mehr öffentliche Werbung für diese Berufsfelder und die Freiwilligendienste; durch AGs oder Ähnliches in Schulen den Praxisbezug besser herstellen; mehrere Praktika während der Schulzeit ermöglichen, damit sich junge Menschen wirklich ausprobieren und ein Bild machen können.
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