Am 24. Februar 2022 eskalierte der bewaffnete Konflikt in der Ukraine und bestimmt seitdem die internationalen Schlagzeilen – und in vielen Bereichen auch die Arbeit des Roten Kreuzes. Dr. Johannes Richert, Landeskonventionsbeauftragter des DRK-Landesverbands Brandenburg e.V., schreibt in seiner Kolumne über die besonderen Herausforderungen für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) und die beteiligten nationalen Rotkreuzgesellschaften in diesem Konflikt.
Seit nunmehr einem Jahr ist uns der Konflikt zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine ein täglicher medialer Begleiter. Wir nehmen Anteil und sind versucht, dem sogenannten Mainstream zu folgen und für die eine oder andere Seite Partei zu ergreifen.
Auch wenn die Konfliktursachen und der eigentliche Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen schon länger zurückliegen, werden wir spätestens seit einem Jahr mit dem Schrecken dieser kriegerischen Auseinandersetzung konfrontiert. Fast täglich hören wir von Verstößen gegen die Grundprinzipien des Humanitären Völkerrechts: So wird offensichtlich das Unterschiedsgebot hinsichtlich der Angriffsziele zwischen Kombattanten* und Zivilpersonen sowie militärischen und zivilen Objekten nicht immer beachtet.
Mangelnder Schutz für nach dem Völkerrecht geschützte Personen
Auch mangelt es am Schutz von nach dem Völkerrecht geschützte Personen, also verwundete und erkrankte Soldaten, Kriegsgefangene und Zivilisten. Selbst hilfeleistendes medizinisches und religiöses Personal sowie Hilfsorganisationen können nicht sicher sein, dass der ihnen zustehende Schutz überall greift.
Beide Konfliktparteien beschuldigen sich gegenseitig der Verletzung der Genfer Abkommen und deren relevanten Zusatzprotokollen und erzählen in den ihnen zugetanen Medien die dazu passende Erzählung. Fakt ist, dass dieser Konflikt rücksichtslos ausgetragen wird und die Zahl unschuldiger Opfer täglich wächst.
Arbeit des Roten Kreuzes mit seinem spezifischen Mandat wird nicht durchgängig respektiert
Fakt ist auch, dass selbst die Arbeit des Roten Kreuzes mit seinen Komponenten und deren spezifischen Mandat nicht durchgängig respektiert wird. Nicht immer und überall wird der eigentlich garantierte Zugang zu den Konfliktopfern möglich gemacht. Dies gilt auch für den Zugang des IKRK zu Kriegsgefangenen, der gemäß dem III. Genfer Abkommen und den Zusatzprotokollen überall garantiert sein müsste.
Gesprächskanäle zwischen Russischem Rotem Kreuz und Ukrainischem Rotem Kreuz
Bei dieser düsteren Bestandsaufnahme stimmt es doch etwas positiv, wenn zwischen dem Russischen Roten Kreuz und dem Ukrainischen Roten Kreuz vertrauliche Gesprächskanäle zum Beispiel in Suchdienstfragen existieren und die gesamte Rotkreuz- und Rothalbmond Bewegung trotz aller Gräuel und Restriktionen unzähligen Konfliktopfern die nötige Hilfe angedeihen lassen kann.
IKRK, Internationale Föderation und die beteiligten nationalen Rotkreuzgesellschaften leisten Außerordentliches im Rahmen dessen, was möglich ist. Ohne diesen Einsatz wäre das humanitäre Bild deutlich düsterer.
„Auch wenn es nicht en vogue ist, stellen wir nicht die Frage nach Schuld bzw. Unschuld an diesem Konflikt, wir kategorisieren nicht nach gut und böse, sondern fragen lediglich nach der Hilfsbedürftigkeit der Opfer.“
Dr. Johannes Richert, Landeskonventionsbeauftrager im DRK-Landesverband Brandenburg e.V.
Wir als DRK können mit unserem Beitrag die Leistungsfähigkeit der Partner vor Ort mit langem Atem erhalten und stärken. Wir tun dies, so wie es uns gesetzlich auferlegt ist, neutral und unparteilich. Auch wenn es nicht en vogue ist, stellen wir nicht die Frage nach Schuld bzw. Unschuld an diesem Konflikt, wir kategorisieren nicht nach gut und böse, sondern fragen lediglich nach der Hilfsbedürftigkeit der Opfer.
*Erklärung zum völkerrechtlichen Begriff „Kombattant“: Im internationalen bewaffneten Konflikt sind Kombattenten Angehörige der Streitkräfte, die nach dem Völkerrecht zur Durchführung von Kampfhandlungen allein berechtigt sind. Kombattanten dürfen sich unmittelbar an den Kampfhandlungen beteiligen, dabei aber nur militärische Ziele bekämpfen.
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